Gefangen in der Abo-Economy

05.01.2025

Neulich hatte ich einen unerwarteten Science-Fiction-Moment: Vor Jahren habe ich mir einen Multifunktionsdrucker zugelegt, inklusive eines praktischen Tintenabonnements. Da ich das Gerät mittlerweile jedoch fast ausschließlich zum Scannen und Digitalisieren nutze und kaum noch drucke, entschied ich mich, das Abo zu kündigen – es lohnte sich einfach nicht mehr. Dann nach Ablauf der Kündigungsfrist die Überraschung: Mein Drucker wurde per Remote-Zugriff vom Hersteller gesperrt, obwohl die Patronen noch voll waren. Damit wurde das Gerät unbenutzbar. Der Chatbot des Herstellers stellte mich vor die Wahl: Entweder ich kaufe neue Patronen für stolze 141,99 Euro oder schließe erneut ein Tintenabo ab.

Nun habe ich das funktionslose Gehäuse eines Geräts herumstehen, das ich mal in der festen Absicht gekauft hatte, es zu nutzen. Jetzt lerne ich gerade, dass es hier ausschließlich um die Absichten des Unternehmens geht. Statt „Besitz“ habe ich nun ein Produkt, das mich laufend kostet – finanziell und nervlich. Seit wann ist es so, dass sich digitale Produkte zu intransparenten Services verflüssigen, die ich so gut wie gar nicht kontrollieren kann?

Wie sind wir in der Abo-Economy gelandet?

Seit der letzten großen Finanzkrise 2008 hat die globale Digitalwirtschaft etliche Zustände durchlaufen: Die Sharing Economy, den Plattformkapitalismus, den Überwachungskapitalismus, den Datenkapitalismus, die Ökonomie der Aufmerksamkeit, und zuletzt, unter COVID-19, fanden wir uns im Disaster Capitalism wieder. Quer durch alle diese Phasen hinweg ist die Macht-und Geldkonzentration bei den Tech-Konzernen stetig gewachsen. Hinzu kamen die Entwicklung und zunehmende Dominanz der Cloud-Dienste, des Datenmanagements und schließlich noch die unbegrenzten Möglichkeiten der Künstlichen Intelligenz. Die Grundlage für die engste Kund:innenbindung, die es jemals gegeben hat!

Momentan treten wir, von vielen unbemerkt, in das Zeitalter der Subscription Economy ein. Das heißt: Alles wird zum Abo. Traditionell kennen wir es so, dass wir für ein Produkt Geld bezahlen. Nach Abschluss des Kaufs befindet es sich in unserem Besitz und wir können (theoretisch) damit machen, was wir wollen. Es ist schließlich unseres. Die zunehmende Abo-isierung führt nun aber zu einem Paradigmenwechsel: Statt den bekannten Kaufmodellen gibt es nun immer mehr Abonnementdienste quer durch alle Branchen. Die Wirtschaft verschiebt ihren Schwerpunkt vom Besitz zur Bereitstellung von Zugang.

Netflix ist ein Beispiel für diese neue Wirtschaftsform, bei der gegen die Zahlung eines monatlichen Abonnements Zugang zu Filmen und Serien angeboten wird. Ein Nebenprodukt ist die Personalisierung dieser Services, also die maßgeschneiderte Empfehlung von Inhalten auf Basis der Auswertung des Nutzer:innenverhaltens. Die Digitalisierung hat die Binge-Economy erst möglich gemacht. Statt sich wie früher eine DVD zu kaufen, zahlen wir nun für einen relativ geringen Preis den Zugang zu einer Mediathek von tausenden Filmen. Ähnlich läuft es auch mit Spotify: statt Millionen Titel auf Festplatten zu verwalten nutzen wir den Zugang zu kuratierten Playlists und mieten die Musik, die uns gerade gefällt.

Für Nutzende sind solche Abos bequem und letztendlich günstiger, als jeden Song oder jeden Film einzeln zu kaufen. Man kann flexibel die Art der Nutzung wählen und das Abo einfach kündigen, wenn kein Interesse mehr besteht. Für Unternehmen sind Abo-Modelle deswegen toll, weil sich die Kundenbeziehungen nun über längere Zeiträume erstrecken. Dadurch bieten sie kontinuierliche Chancen für den Verkauf zusätzlicher Services. Und, der wichtigste Faktor: Je länger der Service genutzt wird, umso mehr Daten werden gesammelt, wodurch ein immer besseres Verständnis für die Präferenzen der User:innen entsteht. Was wiederum das Upselling-Potential steigert.

An diesem Punkt zeigen sich die Nachteile der Abo-Modelle. Was zunächst wie ein guter Deal erscheint, wird durch stetig steigende Preise oder die Einführung zusätzlicher Gebühren schnell zur Belastung. Viele Abos sind so gestaltet, dass sie Nutzende stark an ein bestimmtes Ökosystem binden, wodurch ein Wechsel oft unattraktiv oder unmöglich wird. Ich denke da an einen Freund, der als Designer mit den Produkten der Creative Cloud den sogenannten Lock-in-Effekt hautnah erlebte. Als er seinen vermeintlich monatlichen Vertrag kündigen wollte, wurde ihm der Betrag für das restliche Jahr in Rechnung gestellt. Er wurde ohne sein Wissen in ein Jahresabo gedrängt, eine klassische Dark Pattern-Methode. Zahlreiche Nutzer:innen auf der ganzen Welt sowie die US-Regierung gingen im Sommer 2024 dagegen vor.

Service-Abos binden unsere Aufmerksamkeit oft in einem Maß, das in keinem Verhältnis zum Nutzen steht: Ich muss mich mit der Tatsache auseinandersetzen, dass Funktionen des Produkts, die zum Kaufzeitpunkt inkludiert waren, mit einem Mal nur noch durch Zusatzzahlung nutzbar sind. Ich muss mich mit Änderungen von Nutzungsbedingungen beschäftigen, die Auswirkungen auf die zukünftige Sicherheit meiner persönlichen Daten haben. Und ich muss mich gefühlt ständig um die fristgerechte Kündigung von Verträgen kümmern – wobei ich da nur hoffen kann, dass ich den entsprechenden Button auch finde.

Diese versteckten Zusatzkosten fallen bei fast allen Digitalprodukten an. Bei jeder Interaktion entsteht als „Nebeneffekt“ ein gut dokumentierter Strom unserer persönlicher Daten. Und irgendwann dämmert es einem: Ich bin das Produkt. Je besser die Vorlieben der Nutzer:innen bekannt sind, desto höher das Potenzial für Zusatzkäufe. Hier noch ein Service, dort noch ein spezielles Feature, das man für kleines Geld freischalten kann. Wie aber soll man die schiere Zahl von Unterhaltungsformaten und digitalen Diensten überhaupt noch nutzen? Willkommen in der Binge-Economy!

Es ist allerdings auch so, dass die Abo-Ökonomie das veränderte Konsumverhalten der Post-Millenials reflektiert. Diese Zielgruppe tätigt und verwaltet Käufe zunehmend mit dem Smartphone und will gezielt auf ausgewählte Produkte und Services zugreifen können. Hier ist die Akzeptanz für Abonnements vermutlich von allen Nutzer:innengruppen am höchsten. Maßgeschneiderte Angebote, flexible Preisgestaltung, die Bewertung von Services und gegebenenfalls auch das Abschalten, wenn es keinen Spaß mehr bringt, sind die Grundlagen der jungen Konsumkultur.

Es ist sinnlos, Abo-Modelle per se zu verteufeln. Die Abo-Wirtschaft ist längst ein integraler Bestandteil der digitalen Ökonomie und alle Branchen, die das Potential für Abo-Services sehen, werden diese auch einführen. Für Konsument:innen ist es allerdings wichtig, dass es eine kritische Auseinandersetzung und vor allem strafrechtliche Verfolgung von unseriösen Methoden wie Dark Patterns, Lock-in oder versteckten Abo-Abschlüssen gibt. Ich persönlich finde auch den bewussten Konsum wichtig: Man kann Tools zur Abo-Verwaltung nutzen, sich die Erfahrungen anderer anschauen oder sich vor dem Klicken des Abo-Buttons noch selbst eine Bedenkzeit auferlegen – geleitet von der Frage: Brauche ich das wirklich?

Letztendlich geht es mir darum, dass man nicht jede Form von Unterhaltung, Ablenkung oder kreativen Ausdrucks in die Hände von Big Tech-Konzernen legen muss. Für Viele ist nach einem langen, harten Tag Netflix die einzige Option. Und das, obwohl es da draußen noch einiges zu entdecken gibt: Die städtische Bücherei, in der man Klassiker der Weltliteratur ausleihen kann oder kleine Programmkinos, die Filme zeigen, die Netflix garantiert nicht im Programm hat. Am Ende geht es darum, sich wenigstens etwas Unabhängigkeit zu bewahren, indem man aktiv daran mitarbeitet, dass öffentliche Räume der Autonomie und des Widerstands gegen eine immer gleichförmiger werdende Kultur erhalten bleiben. Das kostet manchmal Anstrengung, man muss dafür das Haus verlassen, aber es passiert unter Umständen etwas, das kein Streaming-Abo im Angebot hat: Man erlebt einen unvorhergesehenen Moment.