Warum es im Digitalkapitalismus so schwierig ist, eine simple Website zu bauen
Der Plan klang zunächst einfach: Eine ganz simple Website – barrierearm, datensparsam, klimaneutral, frei von Tracking und unnötigem Ballast. Klingt einfach? Ist es aber nicht. Wer heute als Non-Techie versucht, eine digitale Präsenz ohne überladene Funktionen, Cookie-Banner, eingebettete Schriftarten und tonnenweise Plug-ins aufzubauen, merkt schnell: Im Zeitalter von Big Tech und Walled Gardens ist digitale Schlichtheit zum Luxus geworden.
Content-Management-Systeme wie WordPress werben mit Benutzerfreundlichkeit – doch wer sich in den Plugin-Dschungel begibt, landet oft bei Systemen, die Daten abgreifen, Ressourcen verschwenden und Abhängigkeiten schaffen. Eine mehrsprachige Seite ist ohne Tools wie WPML kaum möglich. Eine barrierearme Gestaltung wird schnell durch Themes oder Frameworks verkompliziert. Eine wirklich einfache Website zu bauen, wird damit zur politischen Entscheidung – und zum handwerklichen Kraftakt, zumindest, wenn man selbst nur über rudimentäre Programmierkenntnisse verfügt..
In diesem Text werden Stéphanie, die Entwicklerin dieser Website, und ich teilen, warum Einfachheit in der digitalen Welt so schwer geworden ist, wie digitale Infrastruktur systematisch verkompliziert wird – und was für Tools, Wege und Prinzipien es trotzdem gibt, um eine Website zu bauen, die sich auf das Wesentliche konzentriert.
Ela: Ich wollte eine ganz einfache Website, die nur funktionale Cookies benötigt und damit auch keinen Cookie-Banner benötigt. Eine minimale Webpräsenz, die sich auf das technisch Nötigste beschränkt, die Besucher:innen nicht trackt und auch keine Daten abgreift. Die erste Version der Website hast du in Wordpress entwickelt. Das ging auch alles gut, bis wir dann wegen der Zweisprachigkeit das Plug-in WPML gekauft und eingebaut haben. Was war da los?
Stéphanie: Was zunächst nach einer simplen Lösung klang, hat sich für mich als technisches Labyrinth entpuppt: Ständige Updates, kryptische Systemmeldungen wie „Inkompatibilität mit Theme oder Plug-ins“ und eine wachsende Abhängigkeit vom Plug-in selbst. Als wir es wieder entfernen wollten, drohte das System damit, gleich auch alle Inhalte zu löschen. WPML bindet die mehrsprachigen Inhalte so tief in seine eigene Logik ein, dass es kaum möglich ist, sie sauber wieder zu entkoppeln. Dazu kommt ein Abo-Modell, das Nutzer:innen regelmäßig zu kostenpflichtigen Updates drängt – inklusive Wartungsaufwand, der eigentlich gar nicht nötig wäre, wenn man auf unnötige Komplexität verzichtet. Für eine einfache, datensparsame Website war das schlicht das falsche Werkzeug.
Ela: Ja, ich weiß, dass du einige Stunden damit zugebracht hast. Wir haben dann beschlossen, dass wir die Website und vor allem den zweisprachigen Blog ohne kostenpflichtige Plug-ins lösen wollten. Was war dein Workaround?
Stéphanie: Erst mal weg von WordPress, weg von Plug-ins, hin zu einer wirklich schlanken, statischen Website. Wir haben die Seite mit dem CSS-Framework Bulma neu aufgebaut. Jede Seite wird per Hand gebaut, aber da es nur wenige sind, ist das absolut machbar. Ein CMS brauchen wir nur für den Blogbereich. Der Blog ist extrem reduziert: reine Textdateien, in PHP strukturiert, mit einem Sprachumschalter, der auf der Startseite zwischen den Sprachversionen wechselt. Für jede Sprache gibt es einen eigenen Ordner. Wer zum Beispiel auf Englisch umstellt, landet automatisch auf der englischen Startseite und kommt von dort zu den jeweiligen Inhalten – etwa von „Projekte“ zu „Projects“. Keine Cookies, kein Tracking, kein Bullshit – einfach nur Inhalte.
Ela: Ich bin ja diejenige, die die Seite nutzt und regelmäßig mit neuen Texten aktualisiert. Durch die neue technische Infrastruktur ist mir aber ein Stück Autonomie verloren gegangen. Den Blogbereich kann ich selbstständig pflegen – aber für die statischen Seiten brauche ich dich und deine technische Wartung.
Stéphanie: Ja, das stimmt. Wir müssen eine klare Vereinbarung treffen, wie oft und zu welchen Konditionen ich die Wartung übernehme. Aber ehrlich gesagt: Wartung hast du auch bei WordPress – und zwar ständig. Mit Themes, Plug-ins und Kompatibilitätsproblemen. Das Einzige, was hier wegfällt, ist eben die vermeintliche Convenience.
Ela: Genau. Es fühlt sich ein bisschen so an, als hätte ich Autonomie aufgegeben – aber die Frage ist: Hatte ich sie vorher wirklich? Wenn ich WordPress und Plug-ins wie WPML nutze, zahle ich ja auch einen Preis. Ich zahle nicht nur Geld, sondern auch mit meiner Aufmerksamkeit, mit meinen Daten – und mit meiner Abhängigkeit von einem System, das ich eigentlich nicht verstehe. Am Ende profitieren WordPress und die Firmen hinter den Plug-ins, nicht ich.
Stéphanie: Es ist wie bei vielen Infrastrukturen des Alltags, zum Beispiel Heizung oder Auto. Du zahlst den Anschaffungspreis, benötigst aber eine externe Wartung. Bei digitaler Infrastruktur ist es nun häufig so, dass Nutzer:innen suggeriert wird, sie könnten alles allein warten. Das kannst du aber auch nur, wenn du für externe Plug-ins und Services zahlst. Der Unterschied ist, dass du Plug-ins jederzeit von deinem Wohnzimmer aus freischalten kannst. Eine Person, die Wartungsarbeiten für dich macht, musst du erstmal kontaktieren. Die Frage ist also nicht, ob du abhängig bist, sondern von wem.
Der Versuch, eine einfache, datensparsame und klimaneutrale Website zu betreiben, führte uns weg von gängigen Systemen wie WordPress und Plug-ins wie WPML – hin zu einer konsequent schlanken, statisch aufgebauten Seite mit minimalem technischen Overhead. Realisiert mit dem CSS-Framework Bulma, ist jede Seite handgebaut, die Inhalte klar strukturiert, ohne Cookies, Tracking oder externe Abhängigkeiten. Nur für den Blogbereich wird ein leichtgewichtiges CMS auf PHP-Basis genutzt.
Diese Entscheidung war nicht nur technisch motiviert, sondern auch politisch: gegen die zunehmend komplexe und kommerzialisierte Infrastruktur des Webs – und für eine Website, die sich auf das Wesentliche konzentriert. Der Preis dafür: eine reduzierte Nutzer:innen-Autonomie bei der Pflege der statischen Inhalte. Was in WordPress vielleicht per Klick änderbar wäre, erfordert nun ein Eingreifen der Entwickler:in und soziale Koordination.
Aber genau hier liegt die entscheidende Frage: Ist die scheinbare Selbstbestimmung, die kommerzielle Systeme versprechen, nicht in Wahrheit eine Form von Abhängigkeit? Wartung, Abozwang, Inkompatibilitäten – all das bindet Nutzer:innen an Plattformen und Dienstleister, deren Logiken und Interessen sie nicht kontrollieren können. Stattdessen verlagert das neue Setup die Abhängigkeit auf eine persönliche, transparente Beziehung.
Dadurch wird sichtbar, wie Autonomie im Digitalen nicht unbedingt durch „Convenience Tools“ entsteht – sondern durch bewusste Gestaltung, Vereinbarungen auf Augenhöhe und die Bereitschaft, Komplexität dort zu reduzieren, wo sie unnötig ist. Die Frage ist also nicht, ob man abhängig ist – sondern von wem und zu welchen Bedingungen.